Arbeitslosigkeit - importiert?

21. 02. 2016

Für Werner Muhm, Direktor der Arbeiterkammer Wien, ist die Arbeitslosigkeit in Österreich "in hohem Maß importiert", berichtet die "Kronen Zeitung". Es solle auf EU-Ebene über die Notfallklausel zum Schutz des Arbeitsmarktes debattiert werden. Unter anderem darüber, die Personenfreizügigkeit zu befristen oder einzuschränken, so Muhm.

[STANDARD ONLINE 12. 02. 2016]

Dieses Narrativ greift. Es bestimmt die aktuelle Arbeitsmarktdiskussion: Funktionsträger in Politik und Sozialpartnerschaft nehmen darauf Bezug, redaktionelle Beiträge beschäftigen sich damit und besorgte Bürger und weitere AK-Funktionäre bekräftigen es in Leserbriefen.

Die politische Funktion dieser Erzählung ist klar: Nicht die österreichische Standort-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik, sondern die Personenfreizügigkeit im Rahmen des Binnenmarktes treibt die Arbeitslosigkeit hierzulande in die Höhe.

1. Damit wird ein Faktum verdrängt:

Trotz des Anstiegs der Erwerbsfähigen in Österreich seit den neunziger Jahren und der seit 1993 geltenden Personenfreizügigkeit innerhalb der EU - für neue Beitrittsländer ab 2010 - hat Österreich bis 2014 die niedrigste Arbeitslosigkeit in der EU aufgewiesen. Niedriger als in Deutschland war bis dahin die Arbeitslosigkeit in Österreich über Jahrzehnte.

Diesen Spitzenplatz hat Österreich verloren nach der politischen Entscheidung, statt der entschlossenen Anhebung des Pensionsanfallsalters Frühpensionswillige aus der Pensionsstatistik heraus zu halten und im AMS zu "betreuen". Seither steigt - wenig verwunderlich - auch die Langzeitarbeitslosigkeit.

Die Rückführung des AMS ins Sozialministerium hat diese Fehlentwicklung begünstigt, wie ich 2010 befürchtet habe:

K: Welche Impulse waren positiv?

O: Als positiv habe ich empfunden, dass im Jahre 2000 die Verantwortung für die Arbeitsmarktpolitik auf das Wirtschaftsministerium überging. Das AMS rückte damit in das Segment der Wirtschafts- und Standortpolitik, schärfte sein arbeitsmarktbezogenes Profil und verbesserte seinen Zugang zu Unternehmen. Nie zuvor war das AMS erfolgreicher.

K: War die Rückführung der Arbeitsmarktpolitik in das Sozialministerium also ein Rückschritt?

O: Der institutionelle Einfluss ist immer stärker als die beste persönliche Note, die ein Minister vorübergehend zu setzen imstande ist. Aus meiner Erfahrung ist das Risiko, dass andere Einrichtungen ihre Probleme ins AMS abschieben, bei der Zuordnung des AMS zum Sozialministerium größer als dies im Rahmen des Wirtschaftsministeriums möglich war.

2. Die EU ist schuld.

Diese Schuldzuweisung kommt von der Arbeiterkammer, einer Institution, die in Österreich Reputation und starken politischen Einfluss hat. Sie hat den Beitritt Österreichs zur EU und deren Osterweiterung mitgetragen.

Ich habe die Osterweiterung für übereilt gehalten, aber nun ist es so. Binnenmarkt und Reisefreiheit innerhalb Europas sind jedenfalls wechselseitige Vorteile. Dass die Brüsseler Nomenklatura die Union im Verein mit transatlantisch orientierten Regierungspolitikern der Mitgliedstaaten an die europafeindliche Geopolitik der USA gefesselt hat, ist eine andere Geschichte.

Im Unterschied zu ihrer Kritik am Binnenmarkt ist die Arbeiterkammer Herrn Faymann nicht in den Arm gefallen, als dieser die grenzenlose Immigrationspolitik Frau Merkels exekutiert hat. Diese Immigration hat Österreich in einem Jahr über neunzigtausend islamische Zuwanderer aus Ländern beschert, die weit außerhalb der EU liegen.

Natürlich trägt diese Zuwanderung zum Anstieg sozialer Kosten bei und wird die Produktivität der Arbeitskräfte und die Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht verbessern - im Unterschied zu den qualifizierten, tüchtigen Zuwanderern auf Basis der Personenfreizügigkeit innerhalb der EU.

Diese Freizügigkeit gilt auch für Österreicher, die davon in Deutschland und anderswo Gebrauch machen. Sie wurde lange und zäh verhandelt und ihre Konsequenzen waren voraussehbar.

Nun verschleiern politische Funktionäre Defizite und Fehlentwicklungen der österreichischen Arbeitsmarkt-, Standort- und Sozialpolitik mithilfe einer europa- und ausländerfeindlichen Kampagne?

Ich finde das irreführend und schäbig.



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