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Hilfestellungen des AMS zur Re-Integration älterer Arbeitsuchender

Roman Obrovski



Absichtserklärungen und Realität stehen in Österreich seit vielen Jahren in einem seltsamen Widerspruch, wenn es um die Erwerbstätigkeit der über 50-jährigen geht - Zusammenfassung eines Referates vom 9. 11. 1999 in der Bundeswirtschaftskammer


 

Fakten

Die Erwerbsquote der 55-65jährigen Österreicher und Österreicherinnen lag 1998 weit unter dem Durchschnitt der EU und im unteren Viertel aller OECD-Länder.





Die Zahl der vorzeitigen Alterspensionen in Österreich hat sich seit 1993 von 115.292 auf 230.951 im September 1999 verdoppelt.

Aufgrund von geminderter Erwerbsfähigkeit bezogen 1993 in Österreich 16.184 Personen eine Frühpension, im September 1999 waren es 79.987.

Der Anteil der Arbeitslosen über 50 ist in Österreich von 11,3% im Jahr 1988 auf 20,9% im Jahr 1998 angestiegen.

Fragen

Sind Menschen über 50 in Österreich am Berufsleben weniger interessiert als in anderen Ländern? Sind über 50jährige ÖsterreicherInnen weniger leistungsfähig als andere Europäer? Hat die Gesundheit der über 50jährigen in Österreich sich seit 1993 rapid verschlechtert oder haben die Gutachter ihre Maßstäbe geändert?

Nach meiner arbeitsmarktpolitischen Erfahrung ziehe ich aus den Fakten einen anderen Schluß: Österreicher über 50 sind nicht weniger leistungsfähig als Schweden, Briten oder Dänen. Ihr abweichendes Erwerbsverhalten entspringt in erster Linie besonderen Rahmenbedingungen. Der Staat und viele Unternehmen begünstigen seit Jahren den vorzeitigen Ausstieg aus dem Erwerbsleben.

Anreize zur Senkung der Erwerbstätigkeit

Mitte der achtziger Jahre haben gezielte finanzielle Anreize seitens des österreichischen Staates und einzelner Betriebe erstmals viele Österreicher dazu bewegt, ihr Erwerbslebens vor dem Pensionsalter zu beenden.

Neue, attraktive Transferleistungen für Nichterwerbstätige überwanden anfängliche Widerstände in den Belegschaften. Am Anfang stand die sogenannte Sonderunterstützung für bestimmte Berufsgruppen. Auf sie folgte die 4-jährige Bezugsdauer von Arbeitslosengeld in sogenannten Krisenregionen, zu denen u. a. weite Teile Oberösterreichs zählten.

Nach Abschaffung der Krisenregionen (1993) - die Initiative dazu ging von Oberösterreich aus - schwoll die Zahl der Frühpensionisten an. Ab Jänner 2000 tritt die geförderte Altersteilzeit auf den Plan.

Der vorzeitige Ausstieg aus dem Erwerbsleben ist populär geworden und hält auf hohem Niveau an. Die treibenden Faktoren sind unverändert wirksam:

    Die traditionelle Lebensverdienstkurve in Österreich begünstigt ältere Arbeitnehmer und macht sie aus betrieblicher Sicht zu teuren Arbeitskräften.

    Das immer noch hohe Angebot an jüngeren, kostengünstigeren Arbeitskräften macht ältere Arbeitskräfte leichter entbehrlich.

    Der Staat ist bereit, Lösungen zu finanzieren, die beiden Seiten entgegenkommen. Die Betriebe trennen sich konfliktfrei von älteren Arbeitskräften, wenn diese zu Lasten öffentlicher Mittel versorgt werden.

Risken

Besorgnis über die volkswirtschaftlichen und politischen Kosten dieser betriebs- und seniorenfreundlichen Form der Arbeitszeitverkürzung begleitet die geschilderte Entwicklung seit Beginn, blieb politisch aber unwirksam. Versuche der Gegensteuerung (Abschaffung der Krisenregionsverordnung, Bonus-Malus-System) haben keine Trendumkehr bewirkt. Erfindungsreiche neue Anreizformen haben solche Ansätze konterkariert.

Solange gesellschaftlicher Konsens über die sozialverträgliche Finanzierung des frühzeitigen Ausstiegs aus dem Erwerbsleben besteht, ist die niedrige Erwerbsquote älterer Österreicher im internationalen Vergleich zwar sonderbar, kann innerstaatlich aber als spezifisch österreichischer Lebensstil ("25 Jahre lernen, 25 Jahre arbeiten, 25 Jahre leben") aufrecht erhalten werden.

Allerdings bekommen Arbeitskräfte um die 30 aus Wirtschaft und Politik immer lauter zu hören, daß sie vielleicht bis 70 arbeiten müssen. Gleichzeitig sehen sie, wie viele ihre Vorgänger nach wie vor ab 50 das Tennisspiel der Erwerbsarbeit vorziehen können/müssen.

Mit Enthusiasmus scheinen die Jüngeren auf diese Lage nicht zu reagieren. Ist das unterschiedliche Wahlverhalten der älteren und jüngeren Generation nicht ein Indiz dafür?Tickt eine sozialpolitische Zeitbombe in Österreich?

Hilfestellungen des AMS

Die Arbeitslosigkeit älterer Arbeitskräfte ist kein unausweichliches Schicksal, sondern die oft wohlkalkulierte zweite Stufe eines Ausstiegsszenarios. Es wird meist vom Management mit mehr oder weniger Druck auf den Betriebsrat konzipiert und mit MitarbeiterInnen über 50 zu Lasten der Arbeitslosenversicherung vereinbart. Nach einer nicht selten großzügigen freiwilligen Abfertigung und neben einer allfälligen Wiedereinstiegsgarantie im Fall einer unerwünschten Vermittlung durch das AMS sollen Leistungen der Arbeitslosenversicherung die Zeit bis zum Anfall einer Pensionsleistung überbrücken.

Die Erwartungshaltung eines Teils dieser älteren Arbeitslosen an das AMS - Arbeitslosengeld ohne ernsthafte Re-Integrationsbemühungen zu beziehen - gerät daher immer wieder in Konflikt mit dem offiziellen Auftrag des AMS, Arbeitslose so rasch wie möglich auf zumutbare Arbeitsplätze zu vermitteln. Im Jahr 2000 soll das AMS zB österreichweit 73 000 Arbeitslose über 45 wieder in Beschäftigung bringen.

So schwimmt das AMS mit seinen Hilfestellungen zur Re-Integration älterer Arbeitskräfte gegen den Strom - die Tendenz zum frühzeitigen Ausstieg aus dem Erwerbsleben hält an, die Barrieren bei der Einstellung älterer Arbeitsuchender sind hoch und falsche Erwartungen an das AMS erschweren die Re-Integration oft zusätzlich.

Das AMS Oberösterreich arbeitet dennoch unverdrossen an diesem Ziel und setzt dazu folgende Instrumente ein:

Vorbeugende Qualifizierung

AMS OÖ und Land OÖ gewähren seit Jänner 1999 Betrieben einen Zuschuß von 75% zu den Weiterbildungskosten von männlichen und von 85% zu den Weiterbildungskosten von weiblichen Beschäftigten über 45.

Ziel dieses Programmes ist es, Betriebe anzuregen, MitarbeiterInnen über 45 verstärkt in berufliche Weiterbildungsmaßnahmen einzubeziehen, ihnen damit die Wertschätzung des Unternehmens zum Ausdruck zu bringen und sie zugleich zu befähigen, weiterhin wertschöpfend für das Unternehmen tätig zu sein. Bis zum Jahresende werden rund 1500 Personen in diesem Programm gefördert werden.

Early Intervention

Die MitarbeiterInnen des AMS OÖ kommunizieren gegenüber Betrieben und Arbeitsuchenden laufend, daß das AMS in erster Linie dafür zu sorgen hat, daß Arbeitslosigkeit keinen Tag länger dauert als der Markt es erzwingt. Ansinnen, einen Quasi-Ruhestand aus Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe zu finanzieren, weist das AMS höflich aber unmißverständlich zurück.

Die aktivierende Betreuung von Arbeitsuchenden setzt in Oberösterreich am ersten Tag der Vormerkung ein mit dem Ziel, die Arbeitslosigkeit so rasch wie möglich mit der Aufnahme einer zumutbaren Beschäftigung zu beenden. Zielführende Zwischenschritte wie berufliche Orientierung, Qualifizierung, persönliche Stabilisierung, Arbeitstraining etc werden dazu nach individuellem Bedarf eingelegt.

Aktivierungsgruppen/Jobcoaching

Die BeraterInnen im AMS OÖ bieten älteren Arbeitsuchenden die Teilnahme an einer Aktivierungsgruppe an. Es geht dabei um professionelle Arbeitsuche mit Bewerbungstraining in der aktivierenden Atmosphäre einer Gruppe. Bei Langzeitarbeitslosigkeit übernimmt ein Jobcoach eine individuelle Intensivbetreuung.

Berufsbezogene Qualifizierung

Arbeitslose über 45 sind in Oberösterreich mit einem derzeit 15,1prozentigen Anteil an allen TeilnehmerInnen von berufsbezogenen Qualifizierungsmaßnahmen immer noch unterrepräsentiert. Der Einsatz dieses Instrumentes ist ausbaufähig, erfordert aber mehr Motivationsarbeit. Langdauernde Ausbildungen für ältere Arbeitskräfte müssen in einem vertretbaren Verhältnis zur Dauer der anschließenden Beschäftigung stehen und dürfen nicht zu einer verschleierten Form des "Ausgleitens" in die Pension umfunktioniert werden.

Einstellbeihilfen

Das AMS OÖ hat erstmals 1992 unter dem Titel COMEBACK Einstellbeihilfen an Betriebe für über 50jährige Arbeitslose gewährt. Mittlerweile wird dieses Instrument österreichweit für Langzeitarbeitslose und für von Langzeitarbeitslosigkeit bedrohte Personen eingesetzt.

In einer besonderen Variante namens TRAIN & WORK bieten die oberösterreichischen Geschäftsstellen die Finanzierung eines dreiwöchigen Arbeitstrainings im Rahmen eines Probemonats an. Kommt es im Anschluß zu einer Einstellung, finanzieren wir die Einstellbeihilfe. 30,9% aller zwischen Jänner und Oktober so geförderten Dienstverhältnisse in Oberösterreich betrafen Personen über 45.

Experience

heißt in Oberösterreich der gezielte Einsatz von gemeinnütziger Leiharbeit für Arbeitslose über 45. Nach einem zähen Start im April haben wir mithilfe dieses Instrumentes bisher 59 ältere Arbeitslose in Beschäftigung gebracht. Der Einsatz dieses Instruments erscheint uns ausbaufähig.

Ergebnis

Das AMS OÖ hat die Arbeitslosenquote der über 50jährigen in den letzten Jahren entgegen dem Bundestrend gesenkt (der "Gipfel" dieser Quote in Oberösterreich wurde durch die Krisenregionsverordnung (1988-1993) provoziert).





Die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit von Arbeitslosen über 45 betrug 1998 in Oberösterreich 216 Tage, in Österreich 367 Tage.





Zusammenfassung und Ausblick

Die Hilfestellungen des AMS sind überwiegend kurativ, nicht präventiv. Alle AMS-Maßnahmen tragen in ihrer Summe zur Minimierung der Altersarbeitslosigkeit bei und können sicher noch fokussiert und verstärkt werden. Damit es jedoch zu einer Trendumkehr bei der Erwerbsquote der über 50jährigen kommt, ist ein Mentalitätswandel in der Politik, in den Betrieben und bei den Arbeitsuchenden erforderlich. Den kräftigsten Anstoß dazu wird vermutlich erst die längerfristige demographische Entwicklung in Kombination mit der Konjunktur geben, wenn jüngere Arbeitskräfte wieder knapper werden.


 

 
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