Warum jagen die Jäger?

Wer was, wann, wo und wie jagen darf, bestimmen heute in erster Linie die gesetzlich geschützten Interessen der Land- und Forstwirte. Zusätzliche Beschränkungen erwachsen der Jagd aus der Zersiedelung der Landschaft, der Verdichtung des Verkehrs und der Beunruhigung des Wilds durch Wanderer, Mountainbiker, Geländeläufer und sonstige Freizeitsportler.

Dennoch jagen die Jäger. Viele Bürger der urban gewordenen Welt begegnen ihnen zurückhaltend bis ablehnend. Militante Jagdgegner fordern die Abschaffung der Jagd. Mit erstaunlich viel Schaum vor dem Mund bezeichnen sie Jäger als "Mörder" und "Lügner". Rationalisierte Argumente für und wider die Jagd sind bei Wikipedia nachzulesen.

Bei diesen Argumenten geht es meist um das Wozu, nicht um das Warum. Nur wenige Berufsjäger leben von der Jagd und kein Freizeitjäger jagt aus Edelmut: um den Ersatzwolf im Ökosystem, den Hüter von Feldfrüchten, den Beschützer von Schlagholz abzugeben. Umgekehrt. Im Vergleich zu anderen Naturnutzern geben Jäger viel Geld aus, um ihrer Leidenschaft zu frönen: für Pacht, für Wildschäden, für teures Gerät, für Jagdreisen. Warum tun sie das?

Aus Mordlust?

Am augenfälligsten unterscheiden Jäger sich von Nicht-Jägern dadurch, dass sie freilebende Tiere eigenhändig töten. Sind Jäger mordlustiger als Nicht-Jäger?

In geordneten Verhältnissen scheuen die meisten Menschen vor Gewalt- und Tötungsakten zurück. Achtlos und angeekelt zerquetschen sie allenfalls Gelsen, Spinnen, Schnecken, sogenanntes Ungeziefer.

Gewaltfrei gegenüber höheren Tieren leben sie dennoch nicht, im Gegenteil: Millionen von Nutztieren lassen sie täglich von schlecht bezahlten Arbeitern hygienisch metzeln. Weltweit und rund um die Uhr quieken Schweine, brüllen Rinder, bis sie an den Fließbändern des Todes zuckend weißbluten.

Der gewaltsame Tod dieser Wesen freilich ist den adrett portionierten Fleischwaren in den kühlen Theken des Supermarkts nicht anzusehen. Der Strom kommt aus der Steckdose, der Braten von SPAR.

Die FAO beziffert den weltweiten Fleischkonsum pro Kopf und Jahr für 2003 auf 39,9 kg. Auf Schweinefleisch entfallen dabei 15,3 kg, auf Geflügel 12,2 kg, auf Rindfleisch 9,9 kg, auf Schaf- und Ziegenfleisch 1,9 kg und auf "other meat" 0,7 kg.

Entlastendes Feindbild

Jäger sind nicht nur für die Tiere dieser Welt unendlich harmloser als die Agrarindustrie und ihre Konsumenten. Auch für ihre Mitmenschen sind sie weit weniger gefährlich als viele Politiker und Wirtschafttreibende.

Führen diese die Völker in Krisen, Kriege, Katastrophen, explodieren Gewaltakte unter den Menschen: es rauben, foltern und morden die unauffälligsten Mitbürger.



Das alltägliche Massaker unter den Nutztieren, die Morde, der Terror und das staatlich organisierte Gemetzel unter den Menschen machen das Gewalt-Argument gegen die Jagd geradezu lachhaft. Welch Nebenschauplatz sittlicher Entrüstung!

Wer Jäger dennoch auf eine Stufe mit "Mördern" stellt, braucht vermutlich eine Projektionsfläche zur Entlastung von eigenen, unzulänglich reflektierten und unzulänglich beherrschten aggressiven Impulsen.

Jäger gehen achtsam um mit den Lebewesen in ihrem Revier: sie wollen nachhaltig jagen. Mit ihren Impulsen und mit dem Tod sind Jäger vertrauter als viele Nicht-Jäger. Sie sind daher auch vertrauter mit dem Leben als die meisten ihrer natur- und jagdfernen Mitbürger.

Bliebe das Töten doch auf das Weidwerk beschränkt!

Urlaub vom Über-Ich

In der Industriegesellschaft ist achtbarer, wer nicht dem Wild, sondern dem Geld nachjagt oder der Macht, einer kuriosen Idee, der öffentlichen Aufmerksamkeit, dem Fußball oder anderen Objekten menschlicher Begierde.

Ich jage, weil ich dem Trieb zur Jagd nicht entkeimt, nicht destilliert, nicht sublimiert, sondern sinnlich zu folgen die tiefste Lust habe. Ich genieße es, mich dem urbanen Leben zu entziehen, das soziale Über-Ich abzustreifen und mit allen Sinnen einzutauchen in eine ursprünglichere Form menschlicher Existenz.



Überdrüssig der zahllosen Zwänge der zivilisierten Welt entschlüpfe ich ihr zumindest für Stunden. In freier Natur mische ich mich unter andere, freie Wesen. Das Brauchtum der Jäger ist dabei Kultur genug.

Wild beobachten und bewundern oder es aufspüren, ansprechen, erlegen, aufbrechen, zerwirken, zubereiten und mit Gleichgesinnten verschmausen - wer immer das für ein barbarisches, für ein abstoßendes Vergnügen halten mag: Ich fühle mich dabei freier und heiterer als in den Schluchten der Stadt und behaglicher als beim small talk in einer Lounge.

Vom Zauber der Jagd

Im Herbst die Hörner, die Hunde, das Knattern der Flinten, die Strecke, die Fackeln... Öfter und lieber die leise Pirsch. Der Ansitz. Die Anspannung der Sinne. Der Häher. Das Knacken im Gehölz. Der Augenblick, der urplötzlich Handeln erfordert. Triumph, gedämpft von Betroffenheit. Die gelöste Stimmung nach erfolgreicher Jagd.

Oder die enttäuschte Müdigkeit. Die Trauer. Das nagende Gewissen. Der Zorn auf sich selbst. Die Verunsicherung nach einem schlechten Schuß. Das wiedergewonnene Vertrauen am Schießstand. - Das Auf und Ab starker Gefühle.

© 2002


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