Globalisierung andersrum

20. 04. 2024

Wenn ich den Lauf der Dinge bedenke, so finde ich, dass die Welt stets dieselbe geblieben ist. Es gab auf ihr immer ebenso viel Gutes wie Schlechtes, nur wechselten das Schlechte und das Gute von Land zu Land. So ist uns bekannt, dass die Macht der alten Reiche infolge des Wechsels der Sitten einem ständigen Wechsel unterlag. Die Welt blieb jedoch immer dieselbe, nur mit dem Unterschied, dass sich ihre gesammelten Energien zunächst in Assyrien entluden, dann in Medien und Persien, bis sie schließlich auf Italien und Rom übergingen. Und wenn der römischen Weltherrschaft auch kein dauerndes Reich mehr folgte, in dem die Kräfte der ganzen Welt vereinigt gewesen wären, so zeigen sich diese doch verstreut über viele Völker, wo noch gute Sitten herrschen, wie beim fränkischen Reich, bei dem der Türken, beim Reich des Sultans und heute bei den Völkern Deutschlands und vordem beim Stamm der Sarazenen, der so Großes vollbracht, soviel Länder erobert und schließlich das Oströmische Reich zerstört hat. In all diesen Ländern und bei all diesen Völkern war nach dem Verfall des Römischen Reiches jene Tüchtigkeit zu finden, die ersehnt und mit Recht gepriesen wird...

Niccolo Macchiavelli, Discorsi



Unerwartete Aufmerksamkeit

Einer der ältesten Texte in meinem entlegenen Blog (1) wird neben einigen anderen "Langläufern" (2) seit etwa einem halben Jahr in einem unerwarteten Ausmaß abgerufen:

Den Artikel Arbeitsmarktpolitik im Global Village habe ich 1996 ins Netz gestellt. Als Beitrag im Buch "Europa ohne Arbeit" (Kohlhammer, Stuttgart, 1997) ist er im Druck erschienen. Nun wird dieser Text Monat für Monat weitaus am häufigsten unter allen anderen Beiträgen von unique visitors besucht, deren Anzahl über die "Abonennten" meines Blogs weit hinausgeht. Warum? Keine Ahnung. Seither hat sich einiges geändert:

Zwischen Euphorie und Angst

Nach dem Bankrott der Sowjetunion und der Metamorphose des Sozialismus von der Vision zur Illusion hat der Weltmarkt in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts einen rasanten kapitalistisch inspirierten Neustart hingelegt. Mit Dollarzeichen in den Augen haben Unternehmer und Investoren aus dem Westen Fertigungsschritte und komplette Produktionen in vordem abgeschottete Räume bis in die entlegensten Winkel der Erde ausgelagert und Kapitalströme umgeleitet.

Der damit verbundene Verlust an gut bezahlten Arbeitsplätzen in der Industrie ließ u. a. die Arbeitslosigkeit im Westen steigen und löste zum Teil heftigen Widerstand bei den Arbeitnehmern und ihren politischen Vertretern aus.

Arbeitsmarktpolitik im Global Village war mein Versuch, aus der Perspektive eines Praktikers der Arbeitsmarktpolitik Maximen und Handlungsansätze zu formulieren, die einen konstruktiven Umgang mit den neuen Rahmenbedingungen ermöglichten. Die Veränderungen seither aber waren komplexer und widersprüchlicher, als ich sie damals ansprechen konnte.

Im Siegestaumel

In den neunziger Jahren schien die erste, einzige wirkliche und letzte Weltmacht USA mithilfe ihres Gefolges in Europa und Asien im Begriff, die Welt polit-ökonomisch so ähnlich zu dominieren wie einst das victorianische Empire. Der Vektor der Globalisierung zeigte von West nach Ost.

Die befürchteten sozialen Einbrüche wurden weitgehend abgefedert. Mehr: noch nie zuvor haben die Menschen in vielen EU-Staaten länger gelebt und weniger lang gearbeitet als seit etwa dreißig Jahren. Noch nie haben mehr Menschen im Westen an Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen teilgenommen als zur Zeit. Noch nie zuvor haben sie mehr Freizeit in relativem Wohlstand genossen. Nicht wenig davon freilich auf Pump.

Summa summarum hat der Prozess der Globalisierung den Wohlstand in der ganzen Welt gehoben:

Auffällig ist, dass mit Ende des Kalten Krieges und der Einbindung der asiatischen Länder in die globalen Wertschöpfungsketten die globale Armut in einer nie dagewesenen Art und Weise gesunken ist [AGENDA AUSTRIA]

Politisch und militärisch schien es keine ernsthafte Konkurrenz mehr zum "Westen" zu geben: die USA bombten Jugoslawien mithilfe von EU-Staaten in 11 Wochen zur Kapitulation, ohne dass international nennenswerter Widerspruch aufkam. Der damalige UNO-Generalsekretär schwieg. Die attackierten Verlierer wurden von einem Tribunal delegitimiert. In der Folge verschmolzen EU und NATO immer mehr (3) und dehnten sich gemeinsam unaufhaltsam gegen Osten aus.

Da wurde die Selbstsicherheit des Westens jäh erschüttert.

In der Defensive

Mir erscheint dieser monströse Terrorakt als Höhe- und Endpunkt einer Geopolitik, die seit 1945 von den USA dominiert worden war und am 11. September 2001 symbolisch geendet hat.

Ob man diese Ansicht teilt oder nicht entscheidet m. E. über weitere Ansichten zur "richtigen" oder "falschen" Strategie und Politik des "Westens".

Affirmative Ansichten zur Ambition auf Vorherrschaft in der Welt überwiegen im "Westen" nach wie vor. Kritische Ansichten dazu sind politisch kaum wirksam. Sie scheinen allerdings ein provokantes Ausmaß anzunehmen, weil sie affirmative Politiker und Publizisten zu einer hektischen Bekämpfung von "Desinformation" motivieren wie selten zuvor. Geradezu massenhaft tauchen jetzt überall Spione, Fake-News-Verbreiter, Wirrköpfe und Verräter im Dienst finsterer Mächte auf (4).

Didi Hallervorders Kritik an Israels Gaza-Krieg etwa erhält Reaktionen wie

"Getextet von Diether Dehm, vorgetragen von Dieter Hallervorden. Selbstgerechter Antisemitismus als lyrisches Rührstück. Statt Honig Dreck im Kopf. Zum Würgen", urteilt die CDU-Bundestagsabgeordnete und Chefin der Mittelstandsunion, Gitta Connemann, bei "Bild". Die "Jüdische Allgemein" wirft dem Schauspieler vor, er hantiere mit "Laienspielertricks aus der Kiste der Politpropaganda" [Wirres Anti-Israel-Video].

Selbst der Papst wird christlich gerügt:

Kiesewetter erklärt, der Papst und die Kirche hätten als "Orientierungsgeber" versagt. Papst Franziskus habe im entscheidenden Moment nicht die richtigen, sondern die falschen Worte gefunden. "Er hat (...) eine Haltung gezeigt, die dem christlichen Menschenbild widerspricht", kritisierte der CDU-Politiker. Dass der Papst vor allem die Ukraine zu Verhandlungen aufgerufen habe, sei Täter-Opfer-Umkehr... "Auschwitz wurde nicht mit der weißen Flagge befreit, sondern mit Waffen." Auch Hitler und Nazi-Deutschland seien nicht mit der weißen Flagge gestoppt worden, sondern mit Waffen [katholisch.de].

Wer genau Ausschwitz befreit hat und die weitaus meisten zivilen und militärischen Opfer im Kampf gegen die Nazis hinnehmen musste erwähnt Kiesewetter nicht. Sein ebenfalls politisch ambitionierter Sohn Lutz ist mit Nazi-Parolen aufgefallen.

Ich orte die Quellen kritischer Ansichten zu USA/NATO

1) im Verlauf und in den Folgen der Kriege nach 2001 (5)

2) in neuen, unübersehbaren Tendenzen auf dem Weltmarkt, die

3) mit geopolitischen Machtverschiebungen einhergehen.

ad 1) Kriege

In diesen Kriegen sind die USA und NATO an Grenzen gestoßen, die sie mit ihrem derzeitigen militärischen und ökonomischen Potential nicht überwinden können. Sie haben Afghanistan, Libyen und den Irak devastiert, aber nicht besiegt und nicht in ihr Imperium eingegliedert. Auch ihr Stellvertreterkrieg in der Ukraine gegen Russland läuft nicht wie geplant ("Russland ruinieren"). Im aktuellen Nahost-Konflikt kann der "Westen" keine Lösung diktieren. Die USA versuchen vielmehr, ihren verlässlichsten Vorposten im Nahen Osten im Zaum zu halten, um durch die Militanz Israels nicht mehr zu verlieren als durch einen Krieg gegen den Iran zur Zeit (Ukraine) zu gewinnen wäre.

Die Devastierungen in Afghanistan und im Nahen Osten haben die Migration aus Asien und Afrika nach Europa massenhaft anschwellen lassen. Die damit verbundenen gesellschaftlichen Phänomene (Gewaltkriminalität, Femizide, überforderte Schulen und ausbleibende "Integration") irritieren weite Kreise und sind zu politisch heftig umstrittenen Top-Themen geworden.

ad 2) Weltmarkt

In den neunziger Jahren erschien die Globalisierung als Einbahnstraße des siegreichen Westens. Mittlerweile nehmen protektionistische Maßnahmen gegen Importe aus der ehemals Dritten Welt im Westen zu. Strategisch als bedeutsam eingestufte Produktionen sollen "zurückgeholt" werden. Das kommunistische China ist zum Verfechter des Freihandels geworden, während der Westen mit politischen Forderungen, Zöllen und Sanktionen blockiert und die "Neue Seidenstraße" behindert, wo immer es geht. Einigeln kann der Westen sich aber nicht, ohne sich selbst zu schaden. China als günstigen Produktionsstandort und Exportmarkt zu umschwänzeln und gleichzeitig patzige politische Forderungen zu stellen, die China höflich als Einmischung zurückweist, zeugen von beträchtlichem Realitätsverlust (Scholz).

Die Gewichte in der Weltwirtschaft haben sich verschoben. Die G7 repräsentieren 10 % der Weltbevölkerung und erbringen 30 % der Welt-Wirtschaftsleistung. Die BRICS-Staaten repräsentieren 45% der Weltbevölkerung und erbringen 34% der Welt-Wirtschaftsleistung. Die relative Überlegenheit der G 7 (Produktivität, Umwelt) verblasst allmählich gegenüber der absolut gestiegenen Kraft der BRICS-Staaten. Diese Tendenz scheint für die überschaubare Zukunft anzuhalten:

Die Prognosen des IMF auf das weltweite Wachstum haben sich seit Oktober 2023 für das laufende Jahr 2024 leicht von rund 2,9 Prozent auf rund 3,1 Prozent erhöht. Das globale Wirtschaftswachstum soll demnach um rund 3,1 Prozent wachsen. In den Industrieländern wird das BIP-Wachstum für 2024 auf rund 1,5 Prozent prognostiziert, in den Schwellen- und Entwicklungsländern auf rund 4,1 Prozent. Die höchsten Wachstumsraten erzielen laut den IWF-Prognosen in den kommenden Jahren Indien und China. Die russische Wirtschaft ist im Jahr 2023 um geschätzt rund drei Prozent gewachsen, nachdem im Jahr 2022 ein Rückgang von rund 1,2 Prozent beobachtet werden konnte. Deutschland ist das einzige Land der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, dessen Wirtschaft im Jahr 2023 schätzungsweise geschrumpft ist [STATISTA]

ad 3) Geopolitik

Die Befreiungskriege zur Entkolonisierung in den vierziger, fünfziger und sechziger Jahren haben auch Großbritannien und Frankreich zu Regionalmächten zurückgestutzt, wie dies längst mit Spanien, Portugal und den Niederlanden geschehen ist. Der Versuch NAZI-Deutschlands, sich zur führenden Weltmacht aufzuschwingen, war kurz zuvor katastrophal gescheitert.

Die USA konnten / können die Räume nicht einnehmen, die die Europäer aufgeben mussten. Nach Frankreich haben auch sie den Krieg in Vietnam unter großen Opfern und aufgrund eines starken inneren Widerstands verloren (6). Aktuell verlieren die USA nach Frankreich ihren Stützpunkt in Niger. Von kolonialer Vergangenheit unbelastet scheinen Russland und China in Afrika willkommener [ARD] als NATO-Staaten.

Die Systemkonkurrenz zur Sowjetunion haben die USA gewonnen. Den Aufstieg des formell immer noch kommunistischen Chinas konnten sie nicht verhindern. Im Gegenteil: China ist ökonomisch und politisch zum größten Herausforderer der USA geworden.

Dazu kommen im Rahmen der BRICS-Staaten noch andere Schwergewichte wie Indien, Brasilien und seit heuer auch Ägypten, Äthiopien, Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate, vielleicht auch bald Saudi-Arabien. Der Versuch, Russland zu isolieren, zu ruinieren, aus dem BRICS-Verbund herauszubrechen, zu balkanisieren und sich seine Rohstoffe anzueignen scheint auf ganzer Linie zu scheitern.

Europa trägt die Lasten

Den Preis für die hartnäckigen Versuche der USA, die Vorherrschaft in der Welt ungeachtet neuer Realitäten weiter auszuüben, bezahlen in erster Linie die Kontinental-Europäer.

# Die atlantisch gepolten EU-Eliten beanspruchen im "Bündnis" mit den USA keine Souveränität. Sie hecheln treu bei Fuß.

# Die EU-Vasallen haben sich in einen unnötigen Krieg gegen Russland einbinden lassen und nehmen damit enorme ökonomische Nachteile für große Teile der Bevölkerung in Ost und West in Kauf (günstige Energie, Verlust eines großen Exportraums). Wenn dieser Krieg irgendwo in der Ukraine zum Stillstand kommt, wird das vermutlich in eine nachhaltige Spaltung Europas ohne Friedensvertrag münden.

# Die Vasallen kaufen die Waffen, die sie der Ukraine schenken und mit denen sie selbst aufrüsten wollen, großteils in den USA.

# Sie machen das China-Bashing der USA mit und segeln auch im Nahost-Konflikt zum eigenen Schaden im Kielwasser des Imperiums.

Die USA selbst hingegen können, wenn sie es für zweckmäßig halten, aus dem Krieg in Europa ohne ökonomische Beeinträchtigung aussteigen. Es wäre nur ein weiterer Krieg, bei dem sie keinen Meter an Imperium gewinnen, aber Verwüstung und Hass hinterlassen.

Ich bin beeindruckt von der Effektivität der Propaganda, die es immer noch schafft, keinen ernsthaften politischen Widerstand gegen diesen selbstschädigenden Irrsinn aufkommen zu lassen.

Die leitenden Medien in der EU verkaufen die Unterwerfung der EU unter die Geopolitik der USA als "Partnerschaft". Sie richten alle Fakten und Informationen nach dem Narrativ aus, demzufolge die NATO die "liberale Demokratie" anhaltend und weltweit gegen verbrecherische Autokraten verteidigen muss.

Ein unverzichtbares Element der Propaganda ist die Ablenkung des Bewusstseins auf strategisch unbedeutende Inhalte.

Die Bewusstseinsbearbeiter richten die Aufmerksamkeit und die Empörung der Medienkonsumenten aus auf Errungenschaften wie das Gendern, das jährliche Wählen des Geschlechts beim Standesamt, die regelmäßige Präsenz der LGBTQ-Community auch in TV-Krimis, die Legalisierung des Drogenkonsums und den hochmoralischen Kampf gegen "rechts", als brüllten wieder SA-Kolonnen in den Straßen.

Zur Ablenkung tragen auch zahllose Spiele am Handy bei, Dutzende Serien auf Netflix, Disney und auf x anderen Kanälen. Millionen sehen täglich zu, wie excellente Fußballer aus Afrika und Asien in europäischen Vereinen für Siege sorgen. Wer will, kann rund um die Uhr Übertragungen selbst exotischer Sportarten wie Teqball oder Unterwasserrugby verfolgen. Immerhin: Gladiatorenkämpfe gibt es noch nicht.

Gibt es keine Alternative?

Doch, doch. Warum sollte die EU sich nicht ohne Einschaltung der USA mit Russland auf ein europäisches Sicherheitssystem einigen können und geordnete Beziehungen aufnehmen? Warum sollte die EU nicht Ähnliches mit China anstreben? Warum sollte die EU nicht eine selbständige Nahost-Politik betreiben?

Weil das blanke Theorie bleibt, so lange das politische und publizistische Personal in der EU in unverbrüchlicher Treue zu Washington steht. Wahlen werden daran in absehbarer Zeit kaum etwas ändern. Ändern könnte sich das erst, falls die USA selbst eine Neuorientierung ihrer Strategie und Politik vornehmen.

Danach sieht es nicht aus.

Am 18. April 2024 legten die USA im UN-Sicherheitsrat (UNSC) ihr Veto gegen einen Resolutionsentwurf ein, der eine Vollmitgliedschaft Palästinas bei den Vereinten Nationen vorsieht. Damit scheiterte die Beschlussvorlage. Zwölf Mitgliedsländer des UNSC stimmten für die Vorlage, die Schweiz und Großbritannien enthielten sich [TELEPOLIS]

Das belegt: das Gerede der USA von der Zwei-Staaten-Lösung ist erneut nur Gerede. Wie schon seit Jahrzehnten soll diese Idee bloß der Sedierung des bewaffneten Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern dienen. Dieser Konflikt kommt den USA ungelegen, weil sie nicht an zwei Fronten Krieg führen können.

Ohne Lösung des Palästinenserproblems bleibt das Verhältnis des "Westens" zur islamischen Welt gespannt. Die USA streben offensichtlich keine nachhaltige Lösung an, Israel sowieso nicht - und die EU fällt, wenn´s drauf ankommt, gewiss wieder um.

Die meisten Politiker und Publizisten in der EU befürchten / einige hoffen, dass die Strategie der USA sich unter Präsident Trump ändert. Ich bezweifle das:

1) Ich glaube nicht, dass Trump wieder Präsident wird. Wenn es tatsächlich nicht gelingen sollte, ihn mithilfe der Justiz und der Medien nachhaltig zu delegitimieren steht immer noch die ultimative amerikanische Lösung für solche Probleme im Raum.

2) Selbst wenn Trump Präsident wird ist er vermutlich nicht geneigt, sich mit Israel anzulegen. Trotz seiner Abneigung gegen hohe Militärausgaben für erfolglose Kriege war er in seiner Präsidentschaft nicht so lebensmüde, auf Konfrontation zum militärisch-industriellen Komplex zu gehen. Auch er hat die Militärausgaben erhöht [FAZ]. Möglich, dass er die russische Front vorübergehend still legt. Ein Krieg gegen den Iran aber ist ihm nach seinem bisherigen Verhalten zuzutrauen [ARD].

Fazit

1) Die Globalisierung hat einen Verlauf genommen, in dem der "Westen" in die Defensive geraten ist - ökonomisch, politisch und militärisch. Der Globalisierungsvektor zeigt von Ost nach West.

2) Als "defensiv" ist die Situation des Westens aber nur zu qualifizieren verbunden mit seinem Anspruch, die Vorherrschaft in der Welt "regelbasiert" auszuüben, d. h. allen anderen Staaten vorzuschreiben, was sie denken, was sie wählen und was sie tun sollen. Alternativ wäre es möglich, eine multipolare Welt zu akzeptieren und darin eine konstruktive Rolle zu spielen.

3) Die USA scheinen an ihrem Hegemonie-Anspruch festzuhalten, zumal sie die Kosten der damit verbundenen Konflikte an Vasallen auslagern können. Die schlucken das ohne Widerstand.

4) Die Vasallen in der EU zeigen keine ernsthafte Bereitschaft, selbst Verantwortung für Europa zu übernehmen und eine souveräne Politik gegenüber den USA, Russland, China und im Nahen Osten zu betreiben. Ängstlich beobachten sie vielmehr die Entwicklung in den USA, bibbern vor einem allfälligen Wechsel im Weißen Haus und hoffen, dass die Biden-Administration die Zügel nicht aus der Hand gibt.

5) Weder Trump noch Biden haben nach m.E. das Format, einen konstruktiven, zukunftsträchtigen Kurs des Westens in einer Welt einzuschlagen, die sich vom Westen emanzipiert hat und ökonomisch, politisch und militärisch täglich an Kraft zulegt.

Ergänzung 22. 04. 2024

Der entscheidende Schritt im US-Kongress für das in der Ukraine langersehnte Hilfspaket ist getan. Aus dem Senat kommen positive Signale, dass Waffen nun schnell geliefert werden könnten - auch Raketensysteme mit längerer Reichweite [ARD]

Auf Scholz, der den US-Beschluss begrüßte, könnte auch der Druck steigen, die deutschen Taurus-Marschflugkörper, die Kiew seit Langem fordert, zu liefern [ORF]

Verteidigungsminister Lloyd Austin betonte: Durch die Bereitstellung von etwa 50 Milliarden Dollar, die direkt in unsere Verteidigungsindustrie fließen, wird dieser Gesetzentwurf gute amerikanische Arbeitsplätze in mehr als 30 Staaten schaffen, während er gleichzeitig die langfristige Sicherheit der USA stärkt [TELEPOLIS]

War Is Big Business - Corporate America benefits from the warfare state. Everyone else pays [CATO INSTITUTE]

Da ist viel drin, wovon oben die Rede ist: die USA beharren auf ihrem militanten Anspruch auf Weltherrschaft und kleiden ihn in das Gewand der "Verteidigung". Die Peripherie-Vasallen halten die Köpfe hin. Die dem Hegemon näher gelegenen investieren Material und Geld in den Krieg. Ein Teil ihres Geldes fließt wie das meiste Geld der US-Regierung in den militärisch-industriellen Komplex der USA (7). Der dominiert durch diesen Regelkreis die US-Außenpolitik seit Jahrzehnten.

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(1) Die ersten Seiten meines Blogs habe ich 1995 noch bei GeoCities angelegt. In seinen Anfängen war das Internet ein wunderbar weiter, dünn besiedelter Raum. Weltweit zu interessanten, frei zugänglichen Stationen zu "surfen" und mit einzelnen Menschen aus aller Welt über dies und das zu kommunizieren hatte einen ganz eigenen Zauber. Amateurfunker früherer Jahrzehnte haben vielleicht ähnlich empfunden. Rasch aber füllte sich dieser Raum auch mit allem möglichen Ramsch und wurde kommerzialisiert. Aufdringliches Tracking, Propaganda, Fake News, Cybercrime, staatliche Reglementierung und Überwachung haben es zu einem echten Abbild der realen Welt gemacht. - Im Lauf der Jahre habe ich das Design meines Blogs verändert, Themen und Inhalte erweitert, manches gelöscht, aber die Form einer nicht interaktiven "Homepage" beibehalten. Weder bin ich auf "likes", "friends", "shit storms" oder "flower rains" aus, noch habe ich Lust, selbst an solchen Aktivitäten teilzunehmen. Kommunikation per Mail ist möglich und reicht. Von "Linked-In" und "Twitter" habe ich mich nach einiger Zeit verabschiedet, nur Flickr halte ich die Treue: unter einem Nickname lade ich hin und wieder Fotos auf diese Plattform, nehme an der einen oder anderen challenge teil und freue mich, wenn ein Foto "explored" wird.

(2) Relativ hohe Frequenzen über Jahre weisen zB meine "Notizen zum Krieg in Europa" (Jugoslawienkrieg), die Rede "Logabuam" und einige Jagd- und Bogenschützenseiten auf.

(3) In der Propaganda der "Meinungsbildner" wird die EU noch immer als "Friedensprojekt" vermarktet. Dieses Selbstverständnis ist im Krieg gegen Jugoslawien von einer sympathischen Vision zur Lebenslüge geworden. Angesichts der Beteiligung der NATO-EU am Krieg in der Ukraine und des EU-weiten Aufrufs zur "Kriegstüchtigkeit" wird diese Lebenslüge von Tag zu Tag peinlicher.

(4) Mir fällt als vergleichbares historisches Beispiel dazu nur die McCarthy-Ära ein.

(5) Die USA / die NATO bezeichnen alle Kriege, die sie seither gegen Afghanistan, gegen den Irak, gegen Libyen, Syrien und in der Ukraine geführt haben / führen als "Verteidigung". Die Ansicht, dass die USA und die "freie Welt" gegen Jugoslawien, Libyen etc "verteidigt" werden musste, ist so realitätsfern, dass sie keiner spontanen Einsicht entspringen kann. Sie erfordert eine massive ideologische Bearbeitung des öffentlichen Bewusstseins. Das geschieht. Jugoslawien, Afghanistan, Libyen, der Irak, Syrien und Russland haben allerdings weder die USA noch die NATO angegriffen: Die Attacken gegen das WTC kommandierte ein wohlhabender Araber aus dem "befreundeten" Saudi Arabien. Schlüssig ist das Verständnis dieser Kriege als "Verteidigung" nur aus dem Anspruch der USA, ihren guten Willen in der Welt ungehindert durchzusetzen. Wer sich dem entgegenstellt, wurde und wird delegitimiert, sanktioniert und / oder bekriegt.

(6) Die Abschaffung der Wehrpflicht und die Umstellung auf ein Berufsheer war die politische Reaktion der US-Oligarchie auf den Widerstand gegen einen Krieg, dessen Sinn sie der Bevölkerung offenbar nicht ausreichend vermitteln konnte. Diesen Weg sind viele NATO-Staaten gegangen. So lässt sich Krieg führen, ohne sich mit demonstrierenden Müttern und widerwilligen Wehrpflichtigen auseinandersetzen zu müssen. Allerdings nur gegen unterlegene Gegner. Gegen einen gleichwertigen Gegner mit Wehrpflicht gehen einem rasch die Soldaten aus. Der Verlauf des Krieges in der Ukraine macht dies so deutlich, dass mehrere NATO-Staaten die Wehrpflicht wieder einführen wollen. Damit müssen die Regierenden den Regierten aber auch den Sinn eines Krieges wieder vermitteln.

(7) Im Vergleich mit allen anderen Ländern illustrieren die gigantischen Militärausgaben der USA [STATISTA] ihren Anspruch auf globale Vorherrschaft. Kein Präsident seit Kennedy hat es mehr gewagt, den militärisch-industriellen Komplex in Schranken zu weisen.



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